Möchte hier eine Methode vorstellen, wie man die Spuren im Motor nach einem Kolbenklemmer selber beseitigen kann. Hört sich vielleicht ein bisschen „russisch“ an, aber ich habe das so schon mehrfach praktiziert (an verschiedenen Zylindern!) und habe danach nie wieder Probleme mit Klemmern gehabt. Das Ganze funktioniert allerdings nur bei Zylindern aus Grauguss (also bei allen Originaltöpfen und diversen Tuningzylindern), aber nicht bei Aluzylindern!
Das Problem:
Beim Fahren entsteht im Motor Wärme, wodurch sich sowohl Zylinder als auch der Kolben thermisch ausdehnen. Die Materialien Grauguss (Zylinder) und Aluminium (Kolben) haben einen unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Wenn der Motor zu heiß wird, dehnt sich der Kolben stärker aus als der Zylinder und fängt an, an der Zylinderwand zu reiben bzw. bleibt binnen kurzer Zeit im Zylinder stecken (klemmt). Warum der Motor zu heiß geworden ist, kann mehrere Ursachen haben (z.B. Vergasereinstellung) und soll hier nicht weiter diskutiert werden. Natürlich muss die Ursache für den Hitzestau beseitigt werden, sonst hat man nichts gewonnen und der Motor wird früher oder später auf jeden Fall wieder klemmen.
Der im Allgemeinen reaktionsschnelle Vespafahrer hat natürlich schnell bemerkt, dass sein Motor klemmt (spätestens wenn das Hinterrad blockiert ;)) und geschwind die Kupplung gezogen, ein paar Minuten gewartet und sich dann noch im Schritttempo irgendwie nach Hause geschleppt.
Normalerweise gibt es jetzt die Alternativen entweder einen neuen Zylinder und Kolben zu besorgen (teuer), oder den Zylinder auf ein Übermaß ausschleifen zu lassen und sich einen entsprechenden Übermaßkolben zu besorgen (auch teuer). Manche fahren auch einfach so nach dem Klemmer weiter, das ist natürlich die billigste Variante, aber schützt nicht vor erneuten Thermikproblemen…
Ich empfehle hier die folgende Vorgehensweise zur Bearbeitung von Kolben/Zylinder:
Kolben:
An den Stellen, wo der Kolben am Zylinder gerieben hat mit einer scharfen Feile die Spuren glätten. Wer will kann hinterher mit feinem Schleifpapier etwas nachpolieren. Wichtig ist aber zunächst mit der Feile zu arbeiten, da das Aluminium vom Kolben weicher ist als die Graugusssplitter, die vom Zylinder im Kolben stecken und nur mit Schleifpapier bekommt man die nicht raus. Ruhig an den Stellen ein paar Zehntel Material abtragen, da der Kolben an diesen Stellen offensichtlich am wenigsten Spiel zum Zylinder hat und dort sonst immer wieder zum Klemmen neigen wird.
Wenn die Kolbenringe nicht gebrochen sind, kann man die ruhig weiter verwenden, es müssen nicht zwangsläufig neue rein.
Zylinder:
In die Apotheke gehen und Ätznatron (Natriumhydroxid) besorgen. Mit Wasser zu einer Lösung vermischen (z.B. 20g Natron und 40g Wasser).
Vorsichtig: Ätznatron ist eine stark alkalische Lauge, auf jeden Fall vorsichtig damit hantieren - unbedingt Schutzbrille und Handschuhe tragen!!! Kleidung und ähnliches was mit der Lauge in Berührung kommt wird verfärbt!
Mit einem Pinsel die Lösung auf die Klemmspuren im Zylinder tupfen. Das Natron löst die Aluminiumsplitter in der Zylinderwand auf, greift aber den Grauguss nicht an. Die Lauge schäumt ein bisschen weiß dort wo sie das Aluminium zersetzt. Ein paar mal wiederholen bis alle Alureste entfernt sind. Danach den Zylinder gründlich abwaschen und einfetten (Sprühöl), da er sofort anfängt zu rosten.
Das war’s. Alles wieder einbauen und ihr habt einen extrem haltbaren Zylinder, kein erneutes Einfahren wie bei Neuteilen und ne Menge Kohle gespart. Es gibt sogar Leute, die ihre neuen Zylinder absichtlich heiß laufen lassen bis ganz kurz vorm Klemmen, dann den Kolben ausbauen und ihn wie oben beschrieben bearbeiten. Das verkürzt extrem die Einfahrzeit und man hat danach einen sehr haltbaren Motor.
Viel Erfolg!
Details
- Trifft auf folgende Vespa Modelle zu:
- Alle
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